Unter deutschen Weihnachtsbäumen werden in diesem Jahr auch zahlreiche eBook Reader unterschiedlicher Hersteller gelegen haben, die nun mit digitaler Literatur befüllt werden wollen; selbst wer ein Lesegerät mit integriertem eBook Store sein Eigen nennt, stößt hier schnell an die Grenzen des Angebots. Hinzu kommt vielfach die Auseinandersetzung mit harkeliger Verwaltungssoftware und merkwürdigen Fehlermeldungen. Wir geben einen ersten Überblick für den deutschen eBook-Dschungel.
In Deutschland gibt es mittlerweile eine nahezu unüberschaubare Landschaft an eBook Stores, die allerdings vielfach ein sehr ähnliches oder sogar identisches Sortiment aufweisen. So bietet der Grossist Libri seine gesamte eBook-Plattform als “White Labeled Lösung” für Buchhandlungen und andere Händler an (etwa MediaMarkt ); auch der vom Lobbyverband “Börsenverein des deutschen Buchhandels” betriebene Store Libreka stellt sein Sortiment anderen Anbietern zur Verfügung, gleiches gilt für das Sortiment von Ciando . Weiterhin können eBooks vereinzelt auch direkt beim Verlag gekauft und geladen werden (z.B. Droemer Knaur ).
Deutschsprachige eBooks sind üblicherweise buchpreisgebunden. Das bedeutet entgegen landläufiger Meinung nicht , dass digitale Ausgaben genauso teuer wie ihre Print-Geschwister sein müssen; vielmehr dürfen eBooks vom Verlag durchaus günstiger bepreist werden, müssen aber eben überall gleich teuer sein. Das Pricing variiert von Verlag zu Verlag: Während etwa Rowohlt eBooks “aus Prinzip”(O-Ton vom Geschäftsführer) nicht unter Print bepreist, gibt es bei Bastei Lübbe Abschläge von teilweise über 20%.
Ähnlich wie das Pricing liegt der Kopierschutz in Verlagshand. Auch hier ist Bastei Lübbe Vorreiter: Bestseller wie Ken Folletts “Sturz der Titanen” werden ohne Adobe DRM ausgeliefert und lassen sich mittels Extra-Software wie dem empfehlenswerten Gratis-Verwaltungstool Calibre etwa auch ins Kindle-Format konvertieren. Die meisten anderen hiesigen Großverlage setzen nach wie vor auf den vornehmlich die zahlende Kundschaft gängelnden Adobe-Kopierschutz, der zur Lektüre die Nutzung der Software Digital Editions sowie den Besitz eines kompatiblen Lesegeräts (dazu zählen via Apps auch Android- und iOS-Devices) erforderlich macht. Nach unseren Informationen wird in einigen Verlagshäusern momentan immerhin über einen Wechsel hin zu Social DRM (individuelles Wasserzeichen in ‘offenen’ eBooks) nachgedacht, der sich vielfach in der ersten Jahreshälfte 2011 vollziehen könnte.
Die meisten eBook Stores bieten sowohl ‘hart’ kopiergeschützte als auch kopierschutzfreie eBooks an, die allerdings leider nicht immer entsprechend gekennzeichnet sind. Bei Ciando (und Vertragspartnern) beispielsweise ist vor dem Kauf die Beschaffenheit eines eBooks nicht ersichtlich. Eine entsprechende Auszeichnung soll im Laufe des Jahres 2011 folgen, sagte uns ein Unternehmenssprecher auf Anfrage; das gegenwärtig noch überschaubare Angebot an kopierschutzfreien Titeln soll dann auch (dank umdenkender Verlage) deutlich erweitert werden.
Eine ordnungsgemäße Auszeichnung kopierschutzfreier Titel findet sich bei Libreka (und Vertragspartnern) sowie beim Bertelsmann-Onlinekiosk; der Online-Shopvertreibt ausschließlich ‘freie’ eBooks (in ausbaufähiger Auswahl). Einen Sonderfall im negativen Sinne stellt Libri dar, die nach unseren Informationen technisch gegenwärtig nicht in der Lage zum Verkauf DRM-freier eBooks sind und selbst ansich ungeschützt angelieferte eBooks für ihre Plattform verschlüsseln; von einem eBook-Kauf hier ist also gegenwärtig abzuraten.
eBooks sollten nach Möglichkeit im epub-Format geshoppt werden, das auf dedizierten Lesegeräten deutlich flexibler und komfortabler in der Handhabung ist als das ungleich bekanntere pdf-Format (Ausnahme: Kindle ). Vorsicht ist beim Kauf von digitaler Literatur über iOS-Geräte geboten: eBooks im iBookstore oder bei textunes kosten buchpreisbindungsbedingt genauso viel wie in Online-Shops gekaufte Bücher, können aber nur auf einer geringen Anzahl an Endgeräten genutzt werden.
Digitale Literatur ist in Übersee (vor allem in den USA) nicht nur in deutlich größerer Auswahl verfügbar als bei uns, sondern auch ungleich günstiger. Wenngleich Amazon auf Druck der Verlage von seiner “9,99$-Policy” für Bestseller inzwischen in Teilen abrücken musste , sind eBooks in englischer Sprache im Vergleich zu deutschen Titeln zumeist echte Schnäppchen – Rabatte von 50% und mehr gegenüber Print sind fast immer drin.
Anglophile Lesefreunde profitieren aber nur teilweise vom Status Quo auf dem US/UK-Markt: Einige Titel sind rechtebedingt von Deutschland aus überhaupt nicht beziehbar, andere eBooks deutlich teurer. Mit IP-Scan, Adresscheck und einer Überprüfung der zum Kauf genutzten Kreditkarte haben es Händler wie Barnes & Noble, Amazon und der langjährige “Geheimtipp” Waterstones inzwischen praktisch unmöglich gemacht, seine Herkunft zu verschleiern und auf das US/UK-Angebot zuzugreifen. Aktuelle Empfehlungen zum Thema finden sich in unserem Forum . Grundsätzlich sind hiesige Liebhaber englischsprachiger Literatur zumeist mit dem Kindle am besten bedient, wo gegenwärtig über 500.000 Titel direkt übers Gerät bezogen werden können.
Inzwischen über 200 deutschsprachige Bibliotheken bieten unter dem Dach von Onleihe.net den Verleih von digitalen Büchern und Zeitschriften an. Zu sehr humanen Preisen (selten mehr als 20 Euro/Jahr) stehen eine Vielzahl von Titeln zur Verfügung, die sich “dank” Adobe DRM nach 14 Tagen selbst zurückgeben. Größter Haken derzeit ist das noch mangelhafte Angebot an epub-Dateien – die allermeisten Titel liegen im pdf-Format vor und machen auf normal dimensionierten Lesegeräten nur wenig Spaß.
Zum reichhaltigen Fundus kostenloser Literatur im Internet stand ich vergangene Woche Kollege Anatol für heute.de Rede und Antwort; der entsprechende Artikel bietet einen guten Einstieg in die Thematik, weiterhin sind auf unserer Tag-Themenseite eBooks kostenlos hier publizierte Angebote gruppiert.
Bei gratis eBooks muss differenziert werden zwischen gemeinfreien Werken (Urheber 70/80 Jahre tot) und von “zeitgenössischen” Autoren kostenlos angebotenen eBooks. Während Klassiker von Jane Austen & Co. qualitativ zumeist über jeden Zweifel erhaben sind, gibt es bei aktuellen Gratis-Titeln natürlich auch viel Spreu. Weil der Download zumeist mit einer nicht-monetären Gegenleistung (Registrierung, Newsletter-Abonnement oder – ganz neu – Social Media Empfehlung ) verbunden ist, sollte hier durchaus eine Abwägung stattfinden.
Ein mit dem (allerdings nur aus Kundensicht) großartigen Hörbuchportal Audible (/Amazon) vergleichbares Flatrate- beziehungsweise Abo-Angebot für digitale Literatur gibt es nicht. Einzelne als eBook-Flatrates vermarktete Angebote wie eload24 – gegenwärtig umsonst ausprobierbar – bewegen sich auf einem qualitativ wie quantitativ eher bescheidenen Niveau. In diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen ist Shortbooks , der seine über 1000 Buchzusammenfassungen seit ein paar Monaten auch im epub-Format offeriert. Für 1 Euro im ersten Monat (regulär 15 Euro) können monatlich 32 Abstracts von Belletristik sowie Ratgebern gelesen/gehört werden.
Wer auf der Suche nach digitaler Literatur Google oder andere Suchmaschinen bemüht, kommt an illegalen Angeboten kaum vorbei: Entsprechende Websites sind vielfach vor regulären eBook Stores gelistet. Die gegenwärtig immer noch häufige Nicht-Verfügbarkeit vieler Bücher in (legaler) digitaler Form im Verbund mit dem von Lesefreunden vielfach als überzogen empfundenen Pricing und restriktiven Kopierschutzmechanismen ( ausführlich hier ) beschert illegalen eBook-Seiten regen Zulauf.
Teilweise erschreckend professionell aufbereitet finden sich hier inzwischen nahezu alle aktuellen Print-Bestseller sowie zahlreiche ältere Titel vor allem aus dem SciFi-, Thriller- und Ratgeberbereich. Buchverlage und der Lobbyverband Börsenverein betätigen sich an der Verfolgung von Filesharern und versuchen 1-Click-Hoster (primär Rapidshare) zu einer Sperrung beziehungsweise präventiven Blockierung von illegalen Inhalten zu verpflichten, führen hier gegenwärtig allerdings einen recht aussichtslosen Kampf; entsprechend laut sind die Rufe aus der Branche nach Internetsperren, Stoppschildern und ähnlichen überwachungsstaatlichen Instrumenten.
Zu beachten ist allerdings auch: Professionelle Buchpiraten üben ihr Handwerk selten aus freiheitlich-altruistischen Gründen aus, wie die massiv eingesetzte (Abzock-)Werbung auf entsprechenden Seiten sowie bei den 1-Click-Hostern und dazwischengeschalteten Linkvaults belegt. Auch bei einem illegalen Download findet eine Wertschöpfung statt, bei welcher allerdings der Schriftsteller und der beim Produktionsprozess alles andere als untätige Verlag leer ausgeht. Die Nutzung illegaler Angebote ist also auch abseits rechtlicher Bedenken immer mit einem faden Beigeschmack behaftet und moralisch alles andere als einwandfrei.
Einen gut recherchierten Artikel zur illegalen “Moviez”-Szene – strukturell in großen Teilen mit der eBook-Halbwelt gleichzusetzen – findet sich in der aktuellen c’t 01/2011 , die es noch bis kommenden Sonntag für 3,70 Euro am Kiosk gibt.
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